Heute möchte ich gern einige meiner Erlebnisse und Sichtweisen zum Thema Dankbarkeit darlegen, ausgelöst durch die Dankbarkeits-Blog-Parade von Mara Stix. Danke, liebe Mara, für den GeDANKEnanstoß! 🙂
Dankbarkeit in meinem Leben 1.0
In meiner Kindheit wurde ich zu einer sehr merkwürdigen Art der Dankbarkeit erzogen . Vielleicht kennst Du das ja auch. Mir klingen noch die Worte meiner Mutter oder Oma im Ohr, wenn ich von einer Tante, die ich nicht besonders mochte, den 3. hässlichen Schlafanzug in Folge oder das 5. Handtuch „für die Aussteuer“ zu meinem Geburtstag geschenkt bekommen habe.
Ich konnte die Situation gar nicht so schnell erfassen, hatte das Geschenk noch gar nicht in der Hand, da tönte meine Mutter schon energisch: „Wie sagt man?“
Und ich sagte artig: „Danke.“ Solche Situationen gab es oft. Ich funktionierte, sagte danke, konnte mich aber oft gar nicht über das Geschenk freuen. Dankbarkeit war für mich nicht so richtig mit Freude verknüpft, sondern eher mit Anstrengung und Sich-klein-Machen.
Später suchte ich, wenn ich ein Geschenk bekam, nach der Freude in mir, aber ich hatte oft den Eindruck, dass ich diese entweder nicht adäquat fühlte oder sie meinem Gegenüber nicht angemessen zeigen konnte.
Vor einigen Jahren hatte ich ein interessantes Erlebnis: Ich stand in Berlin in der vollen U-Bahn, hatte gerade am Automaten Geld geholt und als ich später im Buchladen war und meine Einkäufe bezahlen wollte, war mein Portemonnaie weg! Nach dem ersten Schreck und ziemlich aufgewühlt erstattete ich Anzeige bei der Polizei und ließ die Kreditkarte sperren. Plötzlich wurde ich sehr gelassen.
Als mich da ein Bettler ansprach: „Haste mal ’ne Mark?“, konnte ich ehrlichen Herzens „nein“ sagen und mich überkam eine große Dankbarkeit.
Ich war dankbar dafür, dass ich endlich mal bei dieser Frage nicht lügen musste und ich war dankbar dafür, dass ich trotz des Diebstahls mit der Bahn nach Hause fahren konnte, denn ich hatte ja mein Monatsticket. Ganz besonders dankbar dafür war ich, dass ich mir den Diavortrag an der Volkshochschule, für den ich mir die Eintrittskarte schon vorher besorgt hatte, trotz des Diebstahls ansehen konnte.
Dieses Erlebnis war so konträr zu meinen Vorstellungen und vorherigen Erfahrungen – ich werde es wohl immer in Erinnerung behalten …
Wie ich eine andere Sicht auf Dankbarkeit bekam
Nachdem ich im Jahre 2010 bei Eugen Simon auf dem Sprungbrett-Seminar war und dort all seine Buchtipps gierig aufgesogen hatte, kaufte ich mir das Buch „Das ultimative Geschenk“ von Jim Stovall.
Dieses Buch hat mich sehr berührt und begeistert.
Besonders gefiel mir darin die morgendliche Übung vom „Goldenen Tablett der Dankbarkeit“, die ich gleich zu meinem Morgenritual erkor.
Die Übung ging in etwa so:
„Jeden Morgen, gleich nach dem Aufwachen, stelle Dir ein goldenes Tablett vor und visualisiere 5 Dinge, für die Du dankbar bist und die Du auf dieses goldene Tablett stellst.“
Ich weiß nicht mehr genau, ob es 5 oder 10 Dinge waren, die ich auf das Tablett stellen sollte. Ich weiß nur, dass ich in den ersten Tagen sehr erstaunt darüber war, wie viele Dinge, für die ich dankbar war, mir einfielen! Diese Übung habe ich viele Monate lang fast jeden Morgen gemacht. Sie ermöglichte mir einen anderen Start in den Tag als den, den ich in meinem Leben 1.0, wie ich es gern nenne, hatte.
Ein weiterer Meilenstein in Sachen Dankbarkeit war für mich, als eine
Psychologin meine Dankbarkeit „einforderte“. Für mich fühlte es sich jedenfalls an wie ein Einfordern, obwohl sie nur einen einfachen Satz sagte. Ich war ärgerlich darüber, denn dieser Satz triggerte all meine früheren unangenehmen Erfahrungen mit Danke-Sagen an.
Und wie die Synchronizität es wollte, entdeckte ich kurz danach in einem Reformhaus-Magazin eine Werbeanzeige für das Buch „Vom Glück, dankbar zu sein“ (zu der Zeit gab es das Buch noch zum regulären Preis).
Der Titel zog mich magisch an und ich las das Buch enthusiastisch durch. Ich glaube, so viele Post-Its habe ich seitdem nie wieder für ein Buch verwendet! 😉
Spätestens seit ich dieses Buch gelesen habe, hat Dankbarkeit einen festen Platz in meinem Leben. Oft sind es die kleinen Dinge im Leben, die mich berühren und für die ich dankbar bin, wie z.B.:
- ein aufmunterndes Wort
- eine intensive Begegnung
- jemandem geholfen zu haben bzw. mir wurde geholfen
- die Grundbedürfnisse erfüllt zu haben
- eine herzliche Umarmung
- etwas zu finden, mit dem ich nicht gerechnet habe
- endlich wieder Sonne nach vielen Tagen grau in grau
- ein Regenbogen
- Seifenblasen
- ein angenehmer Geruch
- die ersten Schneeglöckchen etc.
Der dritte Meilenstein für mich in Sachen Dankbarkeit ereignete sich im vorigen Jahr nach dem Freitod meiner Tante. Als ich mitten in meinem Gefühlschaos fast alles organisierte, was mit Behörden, Trauerfeier, Bestattung usw. zusammenhing, fühlte ich eine weitere Art der Dankbarkeit, die sich so wahrscheinlich nur in der Trauer findet.
Ich erlebte, wie Nachbarn und Bekannte meiner Tante uns halfen bei der Organisation der Trauerfeier und dem Auflösen der Wohnung.
Ich führte viele Telefongespräche und persönliche Gespräche mit ihnen, wir trauerten gemeinsam, munterten uns auf, waren fassungslos, unterstützten uns und ich ging immer wieder ein kleines Stückchen weiter über meine Grenzen. So traurig der Tod meiner Tante war und so sehr ich sie auch vermisse: Ich bin so dankbar dafür, all diese Menschen kennen gelernt zu haben!
Jetzt, Monate später, höre ich mir immer wieder mal das Hörbuch von Verena Kast an, in dem es auf einer CD speziell um das Thema Trauer geht und kann dadurch vieles, was ich in den letzten Monaten fühlte, besser einordnen. Dankbarkeit kann also nicht nur aus Ereignissen und Erlebnissen entstehen, die ich für positiv erachte, sondern sie findet sich auch in traurigen oder primär negativen Situationen.
Ich denke, jede Herausforderung ist auch eine Chance zur (späteren) Freude. Oder wie ich es gern sage: Wenn ich einen Pferdeapfel bekomme, dann kann es sein, dass da auch eine Perle drin ist!
Praktische Dankbarkeits-Tipps
Nun hast Du bis hierhin gelesen und ich danke Dir für Dein Durchhalten. Vielleicht fragst Du Dich jetzt: Was kann ich außer dem „Goldenen Tablett der Dankbarkeit“ denn noch machen, um mehr in die Dankbarkeit zu kommen, um sie mehr zu spüren?
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Wohin Du Deine Aufmerksamkeit lenkst, das wächst. Also: Du kannst Deine Aufmerksamkeit mehr auf die Dankbarkeit lenken.
Ich mache z.B. gern so Sachen wie:
- meinem Kühlschrank, meiner Waschmaschine, meinem Computer usw. dafür zu danken, dass sie ihren Job gut machen
- jedem Geldschein, den ich bekomme, zu danken, dafür, dass er in mein Leben gekommen ist
- Musik zu hören, die das Herz berührt und es in eine Schwingung der Dankbarkeit kommen lässt.
In diesem Jahr habe ich mir ein großes Glas gekauft, das ich „Mein Dankbarkeitsglas“ nenne. Jeden Abend vor dem Schlafengehen schreibe ich einige kurze Erlebnisse des Tages, für die ich dankbar bin, auf kleine Zettel.
Und dann: Ab damit ins Dankbarkeitsglas. Manchmal kommen da neuerdings auch Dinge hinein, die ich nicht gleich für gut befunden habe, die sich aber im Lauf des Tages doch als wahre Perlen herauskristallisierten.
Diesen Artikel möchte ich mit DEM Dankbarkeitslied schlechthin beenden. Danke, dass Du bis hierhin gelesen hast. Danke, Mara, für den Anstoß zur Blogparade. Und danke, Alanis Morissette, für dieses wunderschöne, berührende Lied.
Liebe Heike,
was für ein berührender Artikel. Auch ich kenne das von meiner Kindheit noch sehr gut – immer schön bedanken, der Höflichkeit wegen. Doch WIRKLICH GEFÜHLTE Dankbarkeit habe auch ich erst im Erwachsenenalter gelernt. Mein Dankbarkeisritual vollziehe ich abends. Dann nehme ich meinen persönlichen Dankbarkeitsstein in beide Hände und mache mir bewusst, für was ich an diesem Tag dankbar bin. Das gibt mir Zufriedenheit, Ruhe und Power.
Das mit dem Dankbarkeitsglas finde ich eine super Idee. Vielleicht werde ich das auch einführen.
Liebe Grüße
Birgit
Liebe Birgit,
danke für Dein Feedback. Ich freue mich darüber, dass ich Dir Impulse zum Thema Dankbarkeit geben konnte. Deine Idee mit dem Dankbarkeitsstein finde ich auch spannend. Falls Du das Dankbarkeitsglas bei Dir einführst, dann gib‘ mir doch bitte nach ein paar Monaten ein Feedback. Ich habe mir vorgenommen, die Zettel für jeden Monat farblich unterschiedlich zu gestalten (schließlich ist das Leben ja knallbunt) und bin immer wieder erstaunt: Wir haben erst Februar und da ist schon eine große Menge an Zetteln in dem Glas!
Liebe Grüße,
Heike
Deine Idee mit dem Dankbarkeitsstein sind sehr interessant. Aber dem:
„In meiner Kindheit wurde ich zu einer sehr merkwürdigen Art der Dankbarkeit erzogen .“
kann ich nicht zustimmen. Die Höflichkeit mit ihren Umgangsformen sind auch sehr wichtig!
Hallo Thomas,
danke für Dein Feedback. Die Idee mit dem Dankbarkeitsstein ist von Birgit. Ich bin die mit dem Dankbarkeitsglas. 😉
Ja, ich finde Höflichkeit auch wichtig. Aber dann sollte sie auch authentisch sein, denn wir können ja mit jedem Blick in diese Welt sehen, wohin uns Anpassung, Unehrlichkeit und mangelnde Authentizität gebracht haben. Ich finde Ehrlichkeit und Authentizität wichtiger als Höflichkeit.
Liebe Grüße,
Heike
Die Idee mit dem Dankbarkeits-Glas ist super! Ich denke das ich das zu Neujahr auch bei uns adaptieren werde. Man führt es sich einfach doch zu selten vor Augen wofür man in seinem Leben dankbar sein kann, egal ob es nun Ereignisse sind oder materielle Gegenstände.
Die meisten Menschen hängen sich lediglich an den negativen Punkten auf und vergessen oft die Kleinigkeiten wofür wir dankbar sein können 🙂
Grüße,
Rolf Z.